Als die Amerikaner in Vietnam einfielen ahnten sie nicht, dass ihr Feind sich unter der Erde befindet. Ein schon während der Kolonialzeit errichtetes und zuletzt unfassbare 200 Kilometer langes Tunnelsystem verband ganze unterirdische Städte miteinander und trug maßgeblich zu einem Wendepunkt im Vietnamkrieg bei.
Zwei Freunde von mir, Uwe & Sebastian – das Team von mcmeyersworld in Hamburg – machten gerade Urlaub in Bangkok, als sie sich dazu entschlossen mir einen Besuch im schönen Saigon abzustatten. Gemeinsam brachen wir zu einem Tagesausflug zu den berühmten Tunneln von Cu Chi auf. Uwe hatte bereits alles organisiert und als ich die beiden vom Flughafen abholte wurden wir bereits von unserer deutschsprachigen Reiseleitung in Empfang genommen.
Die Tunnel von Cu Chi liegen etwa 70 Kilometer nordwestlich von Saigon. Auf halber Strecke besuchten wir bei Phu Hoa Dong eine Kautschukplantage. Kautschuk gehört zu den Exportschlagern Vietnams, so dass in den vergangenen Jahren die Anbauflächen stetig vergrößert wurden. Inzwischen rangiert Vietnam auf Platz 6 der größten Produzenten weltweit.
Naturkautschuk wird aus dem Kautschukbaum gewonnen. Ein etwa fünf Jahre alter Baum beginnt mit der Produktion des Milchsaftes, auch Latex genannt, der durch einen Schnitt in die Baumrinde gewonnen wird. Zum Auffangen werden kleine Behälter am Baumstamm befestigt. Die Milchröhre und die Rinde regenerieren sich anschließend wieder. Etwa 25 Jahre lang kann so aus einem Kautschukbaum Latex gewonnen werden, welches noch vor Ort mit Ammoniak vermischt wird, um die flüssige Konsistenz zu erhalten.
Am Tunnelsystem von Cu Chi angekommen begrüßte uns die Zikaden mit ohrenbetäubenden Gesängen. Ein gutes Zeichen, wie uns unsere Reiseleiterin erklärte, denn würde man die Zikaden bei diesen heißen Temperaturen nicht hören, würde dies auf einen bevorstehenden Taifun hinweisen.
Wir starteten mit einer Einführung anhand eines schwer verstehbaren schwarzweiß Videos mit sonderbarer Musik, das wir aber brav über uns ergehen ließen. An einem Modell wurde die Sache schon anschaulicher. Hier sah man, wie das Tunnelsystem über drei Ebenen aufgebaut wurde.
Die erste Etage lag etwa 4 Meter, die zweite 8 und die dritte bis zu 10 Metern unter der Erde. Es gab Krankenhäuser, Schulen, Versammlungsräume, Büros, Küchen… kurzum eine komplette Infrastruktur mit perfekt ausgeklügeltem System. Die Anlage wurde von vielen Fallen geschützt, ein Lüftungssystem als Termitenhügel oder unter Steinen getarnt und der Rauch aus der Küche wurde perfekt weggeleitet und zog durch Laubhügel so flach ab, dass er aus der Luft nicht zu sehen war.
Die Eingänge waren für die Feinde so gut wie nie zu finden. Durch winzig kleine, gut unter Laub versteckte Luken konnte man in das Tunnelsystem hinabsteigen.
Je weiter wir uns durch die in wunderschöner Natur gelegene Anlage vorkämpften, umso lauter wurden die Schüsse, die wir schon die ganze Zeit vernommen hatten. An einem Schießstand können sich Touristen mit Originalwaffen aus dem Vietnamkrieg die Seele aus dem Leib ballern. Uns kam das irgendwie geschmacklos vor und machten sofort wieder kehrt. Auf unserem Rückweg konnten wir noch bei der Herstellung von Reispapier zusehen, wie es für vietnamesische Frühlingsrollen verwendet wird und wie in Zeiten des Krieges alte Autoreifen zu Schuhen wiederverwertet wurden.
Die Cu Chi Tunnel waren auch die Basis der Kämpfer der ‘Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams’, besser bekannt unter dem in Vietnam als Schmähwort empfundenen Begriff ‘Vietcong’, der nur von den Feinden Nordvietnams benutzt und später durch die Presse weltweit verbreitet wurde. In einem massiven Überraschungsangriff am 31. Januar 1968 überfielen 80.000 Guerillakämpfer mehr als 100 Orte gleichzeitig. Es gelang ihnen den Präsidentenpalast und die amerikanische Botschaft in Saigon zu besetzen.
Dieser als ‘Tet Offensive’ in die Geschichte eingegangene Angriff war militärisch nicht erfolgreich. Die überrumpelten amerikanischen Truppen schlugen zurück und die Verluste der Vietcong waren massiv. Dieser Angriff gilt heute trotzdem als Wendepunkt im Vietnamkrieg, da die entsetzte amerikanische Bevölkerung an ihren Fernsehgeräten die verstörenden Bilder mitverfolgen konnte. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich – nicht nur in den USA – eine große Friedensbewegung mit Demonstrationen in gigantischen Ausmaßen.
Ganze 9 Jahre lang versprühten amerikanische Flugzeuge großflächig das Pflanzengift ‘Agent Orange’ über Vietnam. Die dichten Wälder sollten entlaubt werden, um die Verstecke und Versorgungswege der Vietnamesen offen zu legen. Die Region um die Tunnel von Cu Chi wurde besonders stark belastet. Bis heute leiden Vietnamesen unter den Spätfolgen, die im ganzen Land täglich zu sehen sind. Viele Menschen kamen nach dem Vietnamkrieg mit Missbildungen zur Welt. Etwa eine Millionen Menschen sind heute noch betroffen. Zu den Folgen gehören auch Krebs, innere Organschäden und Immunschwächen.
40 Jahre nach dem Vietnamkrieg kommt es bei ungeborenen Kindern immer noch zu Missbildungen, die auf Agent Orange zurückzuführen sind. Durch die moderne Medizin ist die Abtreibungsrate in Vietnam rasant angestiegen…
Tipps
- Ein Halbtagesausflug lässt sich überall in Saigon für etwa 25$ inklusive Mittagessen buchen und mit vielen anderen Zielen kombinieren